Unterwerfung
Donald Trump legt sich nicht umsonst am liebsten mit Verbündeten an. Und das hier ist noch keine 1,5-Grad-Welt (ist das beruhigend?)
Zunächst, Mitte Januar geht das noch, und mit der ersten Ausgabe des Newsletters gehört es sich sogar, Ihnen ein frohes, gesundes, hoffentlich ein politisch halbwegs stabiles und nicht zu nervenaufreibendes Jahr 2025!
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Die Nachrichten machen es einem nicht ganz leicht, daran zu glauben.
Donald Trump will also Grönland, dazu den Panamakanal und am besten auch noch Kanada, angeschlossen an die USA, einverleibt in das, was im 21. Jahrhundert vielleicht zum Imperium nach Art des 19. Jahrhunderts werden soll.
Daran finde ich zunächst bemerkenswert, wie schnell die Trump-Maschinerie angesprungen ist. Nicht nur, dass sein Sohn umgehend zur Grönland-Reise aufbrach. Auf Fox News etwa erklärte Jesse Watters ausführlich, warum Grönland zu den USA gehören müsse und warum die Tatsache, dass andere Länder sich nicht schlucken lassen wollten, erst recht Lust mache, sie zu zwingen.
Was immer Trump sich ausdenkt, wird von seiner Entourage sofort verarbeitet. Es braucht keine Zeit, keine Mühen. Der autoritäre Apparat brummt.
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Ähnlich schnell gewöhnt sich offenbar der Rest der Welt noch an die extremsten Normverschiebungen. Der künftige US-Präsident will Länder besetzen und schließt auch Waffengewalt nicht aus? Ja, klingt bekloppt, aber vorstellbar. So sei es. Als Olaf Scholz Kritik formulierte, wurde er fast etwas belächelt. Als sei es naiv, die Norm zu bekräftigen, zumal im Wahlkampf (Wahlkampf!).
Natürlich ruft der Vorschlag noch Empörung hervor, aber es ist nicht die Art von Empörung, die aus dem Entsetzen über einen Bruch der Norm entsteht. Es ist nur noch das Entsetzen über die möglichen Folgen. Der Bruch selbst ist schon eingepreist.
Daran sieht man, wie wenig noch von den Gewissheiten, Normen, Regeln und Tabus übrig ist, die die Weltordnung des 20. und des frühen 21. Jahrhunderts zusammengehalten haben.
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Dabei verhält es sich offensichtlich wie mit Territorien, die von einer Armee angegriffen werden. Es braucht oft überraschend wenig Zeit und wenig Kämpfer, um riesige Geländegewinne zu erzielen. So war es in Mali, so war es im Nahen Osten, als der IS sich durch die Landschaft mordete, so war es in Afghanistan, so war es kürzlich Syrien, und in der Geschichte war es auch oft so.
Entweder ein Vormarsch wird bald gebremst oder er geht schneller, als man zunächst für möglich gehalten hätte. Weil nach der ersten gefallenen Stadt niemand mehr wirklich zu kämpfen bereit ist. Weil die Organisation zusammengebrochen ist. Oder weil keiner auf der falschen Seite stehen will, der der Verlierer.
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Mir begegnete in dem Zusammenhang die Frage, warum Trump sich eigentlich ständig seine eigenen Verbündete vornehme statt der Gegner der USA. Ich glaube, die Antwort ist sehr einfach: Verbündete haben ein Interesse, es sich nicht mit den USA zu verscherzen. Verbündete haben etwas zu verlieren und sind daher eher bereit, sich zu fügen. Oder besser: zu unterwerfen.
Trump ist kein Abenteurer, kein Feldherr, auch kein Ideologe, der sich ein schlüssiges Weltbild aufbaut. Er ist vor allem ein Homo subigens, der unterwerfende Mensch. Das meiste, was er tut, lässt sich damit erklären, dass er damit Unterwürfigkeit erzeugt oder sichert.
Deshalb, das war hier schon mal Thema, macht es Sinn, dass sich in seinem geplanten Kabinett viele Mitglieder finden, gegen die es teils gravierende Vorwürfe gibt. Deshalb macht es Sinn, dass er zwei Männer im Kabinett hat, die ihn mit Hitler verglichen haben (Vance und Kennedy). Deshalb macht es Sinn, dass er unqualifizierte Personen beruft. Deshalb macht es Sinn, dass er so ungeniert lügt und immer noch eins draufsetzt.
Wer Leichen im Keller hat, wer weiß, dass er unterqualifiziert ist, wer sich jemandem andient, den er mit dem Inbegriff des Bösen verglichen hat oder wer öffentlich gegen jede Scham lügt, der unterwirft sich offensiv. Selbstverleugnung spielt dabei eine große Rolle.
Wer vor allem unterwerfen will, legt sich besser mit denen an, die er am leichtesten unterwerfen kann. Und dazu gehören dann ganz besonders jene, die durch Widerstand mehr zu verlieren haben als durch Unterwerfung. Also: Freunde, Partner, Verbündete.
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Das machte dann auch Mark Zuckerbergs Ankündigung so erschütternd, als er erklärte, die Facebook- und Instagram-Mutter Meta werde künftig keine Faktenchecker mehr einsetzen.
Man kann Argumente dafür finden, dass das in der Sache vielleicht gar keine Katastrophe ist, weil Fact-Checking für ein soziales Medium ebenso wie für den Umgang mit Lügen und Propaganda wenig geeignet ist.
Aber einer von Zuckerbergs wichtigsten Leuten verkündete das Ganze live bei Fox and Friends, also dort, wo er annehmen konnte, dass Trump live zusieht. Was nichts anderes ist als eine aktive Unterwerfung. Genauso, wie die Argumente, es gehe um Zensur und freie Rede, aktive Unterwerfung sind – Selbstverleugnung durch Imitation der Reden des Trumpismus.
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Parallel druckte die Washington Post eine Karikatur nicht, die genau das zeigte: Wie sich Milliardäre Trump zu Füßen werfen und ihm Geld darbieten. Es war ein noch gravierender Eingriff als das Veto von Jeff Bezos gegen die Wahlempfehlung für Kamala Harris.
Auch bei der L.A. Times, wo eine Wahlempfehlung für Harris nicht erscheinen durfte, geht es weiter. Besitzer Patrick Soon-Shiong wirft seinem Blatt vor, eine Echokammer geworden zu sein, nicht ausbalanciert genug, und mischt sich vermehrt ein.
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Man erkennt jetzt schon, eine Woche, bevor Trump überhaupt ins Amt kommt, dass sich die Mächtigen in der Gesellschaft auf andere Weise an ihm und nach ihm ausrichten, als sie es 2017 getan haben.
Trump wurde beim ersten Mal, 2016, ordentlich gewählt und er wurde jetzt sogar mit Mehrheit ordentlich gewählt. Aber dass er noch einmal antreten durfte, obwohl er Gesetze gebrochen und einen Angriff auf das Parlament angestachelt und hinterher entschuldigt hat, darin liegt ein Elitenversagen.
Es hätte nur eine Verurteilung im Senat gebraucht, 67 Stimmen, statt der 57, die es wurden, um im Impeachment-Verfahren dafür zu sorgen, dass er nie wieder für ein öffentliches Amt kandidieren kann. Zehn Republikaner mehr hätten dem Spuk ein Ende machen können.
Nicht den Grundlagen, die Menschen anfällig machen für einen wie Trump, nicht dem Propaganda-System, nicht den Krisen, aber dem Mann, der das alles um sich herum zu einem System der Unterwerfung ausgebaut hat.
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Damit ist man nahtlos in Österreich, wo die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die konservative ÖVP den extrem rechten Herbert Kickl von der FPÖ zum Kanzler wählt, nachdem die Verhandlungen von ÖVP mit den Sozialdemokraten und den Liberalen gescheitert sind.
Es gibt, man muss das so klar sagen, bei 28 Prozent für die FPÖ wirklich keinen Grund, den Mann in das wichtigste Amt zu heben. Nicht einen einzigen Grund. Wenn schon sonst keine Koalition zustande kommt und keiner Neuwahlen will, dann gibt es immer noch die Möglichkeit einer Minderheitsregierung.
Vielleicht hält man so die FPÖ nicht für immer von der Macht fern. Vielleicht bringt man sie ihr sogar näher. Aber sie selbst an die Macht zu heben, weil man sie nicht ewig davon fernhalten kann, ist wirklich die schlechteste Idee.
Umso wichtiger, dass die CDU, namentlich Friedrich Merz, gerade immer und immer wieder so unmissverständlich wie menschenmöglich jeder Zusammenarbeit mit der AfD eine Absage erteilt. In den Kommunen gilt das, wie hier schon beschrieben, faktisch nicht. Aber eher, weil man es nicht verhindern kann.
Auch Merz’ Kritik an Zuckerberg, formuliert in seiner »Merz-Mail«, ist scharf und präzise:
»Die Freiheit endet dort, wo die Freiheit des anderen bedroht ist. (...) Wer allerdings dafür plädiert, im digitalen Zeitalter einfach alles zu erlauben, oder wer angesichts der Wucht und Macht der Plattformbetreiber resigniert und alles hinzunehmen bereit ist, der liefert die Meinungsfreiheit binnen kürzester Zeit den Feinden der Meinungsfreiheit aus. Und dann ist es auch um den Rest unserer Demokratie nicht mehr gut bestellt.«
Es brennt in Kalifornien, es brennt in Los Angeles.
In meinem Buch »Demokratie im Feuer« gibt es ein Kapitel, das »Traumfabrik in Flammen« heißt.
»Es gibt Orte auf dieser Welt, die härter von der Klimakrise getroffen werden als Kalifornien. (...) Aber es gibt wahrscheinlich keinen Ort, der für jemandem aus Europa oder den USA so verständlich macht, was gerade passiert, weil kaum ein anderer Ort so aufgeladen ist: mit Bedeutung, mit Sehnsucht, mit Pathos, mit Geschichten. Weil kaum ein anderer Ort so sehr für den Westen der vergangenen 250 Jahre steht. Und damit für das Gefühl, dass sich die Welt dem Menschen fügt, nicht umgekehrt.
(...)
Als sich im Sommer 2020 die Feuer auf die Vorstadt mit dem symbolischen Namen Paradise zu fraßen, als sich endzeitlich anmutende Himmel über Hollywood zeigten, wurde eindrücklich sichtbar, was die Klimakrise bedeutet. Sie beendet die Epoche der großen Beschleunigung, sie macht aus diesem mythischen Ort einen lebensfeindlichen Fleck. Man kann ihr durch große Geschichten, Technologie und Erfindungsreichtum und selbst Geld nicht dauerhaft entfliehen, schon jetzt nicht mehr. Was Kalifornien unmittelbar bedroht, ist nicht zuvorderst “the Big One”, das große Erdbeben, das dort gefürchtet wird, sondern die Klimakrise, die ein Produkt der Californication selbst ist.
Man kann es auch so sagen: Ob die Lebensweise des amerikanischen Jahrhunderts so transformierbar ist, dass sie eine Zukunft hat, wird sich sehr früh in Kalifornien zeigen, wo das symbolische Zentrum des amerikanischen Jahrhunderts liegt.«
Bisher sieht es nicht gut aus.
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Wenn ich über Klimaschutz spreche, zum Beispiel auf Lesungen oder nach Vorträgen, begegnet mir oft die Vermutung, die Menschen würden schon verstehen, wenn erst eine richtige Katastrophe einbreche. Oder es begegnet mir die Frage, was es denn noch brauche, damit die Botschaft ankomme?
Ich glaube ja, dass man darauf wirklich nicht warten sollte.
Als in Slowenien Flüsse über die Ufer traten und Dörfer zerstörten, lief eine Kampagne gegen eine Aktivistin an, die gegen die Regierung ein Wasserreferendum durchgesetzt und gewonnen hatte. Es wurde gestreut, gerade die Umweltschützer seien für die Schäden verantwortlich.
Auch nach der Ahrtalflut gab es ähnliche Geschichten. Und in Kalifornien jetzt verbreiten Trump, Musk und andere diverse Geschichten. Trump macht, beispielsweise, einen Fisch verantwortlich, Hypomesus transpacificus, einen Stint, angeblich seien Projekte zu seinem Schutz Schuld daran, dass es an Wasser fehle.
Es gibt viele Geschichten dieser Art, es gibt viele Fact Checks, es macht aber wenig Sinn, sich an allen abzuarbeiten. Entscheidend ist die Erfahrung: Je größer die Katastrophe, desto intensiver die Versuche, die propagandistisch zu nutzen und umzukehren, jenen die Schuld zu geben, die versuchen, sie zu verhüten.
Jede Strategie, die auf Einsicht im Angesicht der Zerstörung setzt, oder die auf den richtigen Moment wartet, ist zum Scheitern verurteilt.
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Sie haben die Nachricht vielleicht gesehen: Das Jahr 2024 lag zum ersten Mal weltweit mehr als 1,5 Grad über dem Durchschnitt des vorindustriellen Zeitalters. Sogar schon bei 1,6 Grad mehr.
Die beruhigende Nachricht: Das heißt explizit nicht, dass das 1,5-Grad-Ziel gerissen ist. Dafür gibt es langjährige Mittelwerte, die übliche, standardisierte Vergleichsperiode sind 30 Jahre. Es wird also noch eine ganze Weile dauern, bis wir in einer 1,5-Grad-Welt leben.
Darin liegt aber natürlich auch eine beunruhigende Nachricht: Feuer wie die, die gerade in Los Angeles und dem Umland wüten, im Januar, was üblicherweise außerhalb der Feuersaison liegt, sind kein Phänomen einer 1,6-Grad-Welt. Sie sind ein Phänomen einer 1,2-Grad-Welt.
Es ist nicht so, wie es ist, weil wir schon verloren haben. Es ist so, wie es ist, obwohl wir noch nicht verloren haben.
Von Katharina Hacker habe ich fast alles gelesen. Gerade lese ich ihren aktuellsten Roman, »Die Gäste«. Darin erbt eine Wissenschaftlerin ein Café und dann kommen Gäste. In der Welt drumherum ist irgendetwas nicht in Ordnung oder vieles nicht in Ordnung, ein Fieber geht herum, diese Pandemie oder eine andere. Das Klima macht nicht mehr, was es mal sollte. Gewaltausbrüche sind angedeutet, aber das alles nur beiläufig. Das Katastrophische wirkt gedämpft, irritierend, manchmal wunderlich, es ist kein Thema, nur die Welt.
Dazwischen geht das Leben weiter. Heiter im Ton, staunend, poetisch, schrullig, märchenhaft, vor allem freundlich.
Sie haben keinen Kuchen!, rief der Mann ärgerlich. Die Bedienung ist mies!
Sehen Sie, sagte die alte Frau. Er hat es verdient. Er tut mir leid. Er wird in der Hölle schmoren.
Ich brachte ein Stück Kuchen.
Was ist das?, fragte der Mann missmutig und ging.
Wollen Sie den Kuchen?, fragte ich die alte Dame.
Sie lächelte zufrieden. Kostenlos ja!, antwortete sie.
Ich bin noch nicht durch. Aber schon bezaubert.
Ein zauberhaftes Jahr also, vielleicht. Mal sehen.
Herzlich
Jonas Schaible
Musk will sich lieber mit seinen Paypal-Kumpels zum Mars retten, bevor der Planet den Bach runtergeht. Ein weiteres Indiz für die menschliche Natur.
„…Jahr zu wünschen.“ ☺️