Sozialdemokratie und Post-Faschismus legen der Demokratie gemeinsam ein Ei ins Nest
Menschenrechte gelten für alle oder sie gelten nicht.
Es ist eine der erstaunlicheren Allianzen, die sich da geformt hat: Mette Frederiksen, die sozialdemokratische Premierministerin Dänemarks, und Giorgia Meloni, die extrem rechte Ministerpräsidentin Italiens, haben gemeinsam einen Brief initiiert.
Darin fordern sie die Neuinterpretation der Europäischen Menschenrechtscharta – im Kern, um (straffällige) Flüchtlinge leichter abschieben zu können.
Unterschrieben haben noch sieben weitere RegierungschefInnen der EU, aus Österreich, Belgien, Tschechien, Estland, Lettland, Litauen und Polen.
Sie schreiben (übersetzt von mir):
„Wir stimmen darin überein, dass es notwendig ist, eine Diskussion darüber zu beginnen, wie die internationalen Konventionen zu den Herausforderungen passen, denen wir heute begegnen müssen. Was einst richtig war, mag nicht die Antwort für die Zukunft sein.”
Sie schreiben weiter (übersetzt von mir):
„Wir glauben auch, dass es nötig ist, sich anzuschauen, wie der Europäische Menschenrechtsgerichtshof seine Interpretation der Europäischen Menschenrechtscharta entwickelt hat. Ob der Gerichtshof, in einigen Fällen, den Geltungsbereich der Konvention zu weit ausgedehnt hat, verglichen mit der ursprünglichen Intention der Konvention, und so die Balance zwischen den Interessen verschoben hat, die geschützt werden sollen.“
Und noch weiter:
„Wir glauben, dass die Entwicklung in der Interpretation des Gerichtshofs, in einigen Fällen, unsere Fähigkeit einschränkt, politische Entscheidungen in unseren eigenen Demokratien zu treffen. Und dass er dadurch beeinträchtigt, wie wir als Leader unsere demokratischen Gesellschaften und Bevölkerungen gegen die Herausforderungen schützen können, die uns in der heutigen Welt begegnen.”
Was sie wollen, ganz konkret, allerdings nur „zum Beispiel“ formuliert und: kriminelle Flüchtlinge („zum Beispiel“ Gewalttäter oder nach Straftaten mit Drogen) leichter abschieben. Das Recht schütze manchmal „die falschen Leute”. Die Sicherheit „der überwiegenden Mehrheit der rechtschaffenen Leute” solle als allgemeine Regel Vorrang haben vor anderen Erwägungen.
Man glaube, in aller Bescheidenheit, dass man in Einklang mit der Mehrheit der europäischen Bürger stehe.
Hier ist der Brief im englischen Original.
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Daran ist fast alles bemerkenswert – und potenziell immens folgenreich. Um nicht zu sagen: Dieser Vorstoß ist in seinem Bestreben revolutionär.
Ich habe vor bald zwei Jahren einen Text geschrieben, der die Frage stellte: Wird die Union jetzt revolutionär? Einer der Gründe war ein Gastbeitrag, den der heutige Kanzleramtschef Thorsten Frei damals in der FAZ veröffentlicht und in dem er das Grundrecht auf Asyl infrage gestellt hatte.
Das hier geht allerdings noch sehr, sehr viel weiter. Und es ist sehr gekonnt (und ganz schön lakonisch) aufgezogen.
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Bemerkenswert ist die Koalition, die dahintersteht: Regierungen in der EU müssen mit Regierungen kooperieren, die von extremen Rechten geführt werden. Und Frederiksen und die dänischen Sozialdemokraten haben sich eine Identität gegeben als Hardliner in Migrationsfragen. Aber ein solcher Schulterschluss geht weit über das Notwendige hinaus.
Die SZ zitiert Frederiksen, die demnach im dänischen Fernsehen gesagt habe: „Wenn wir beide unsere Eier in denselben Korb legen, sind wir ein Duo, das man nur schwer ignorieren kann.” Deshalb habe sie Meloni als primäre Partnerin erwählt.
Sozialdemokratie und Post-Faschismus, Hand in Hand dabei, der Demokratie ein Ei ins Nest zu legen.
Bemerkenswert ist, dass hier die Rolle des EGMR, also eines unabhängigen Gerichts, grundsätzlich in Frage gestellt wird. Was der Brief sagt, ist: Dieses Gericht sei zu weit gegangen. Es habe seine Kompetenzen überschritten.
Bemerkenswert ist, dass die RegierungchefInnen sich faktisch zum Maßstab erklären, wann ein Gericht zu weit geht und was Recht ist. Sie stellen fest, dass der EGMR die Menschenrechtscharta über dessen eigentliche Absicht hinaus ausgedehnt habe.
Bemerkenswert ist die Begründung: Es sei jetzt so, dass Regierungen dadurch eingeschränkt sind.
Ja, natürlich sind sie das. Das ist der ganze Sinn der Gewaltenteilung und von Grundrechten. Deshalb gibt es unabhängige Gerichte, deshalb gibt es Menschenrechtschartas. Sie sollen Politik einschränken.
Bemerkenswert ist, dass sie fordern, dass für eine kleine Minderheit nicht die gleichen Schutzrechte gelten sollen, wie sie bisher – und, so lese ich den Brief, auch weiterhin für andere gelten sollen.
Bemerkenswert ist, dass sich die neun RegierungschefInnen keine Mühe geben, die Notwendigkeit der Maßnahmen, die ihnen verwehrt zu sein scheinen, zu begründen.
Bemerkenswert ist, dass sie stattdessen darauf verweisen, dass die Mehrheit der Europäer*innen das (angeblich) genauso sehe wie sie.
Mehrheit schlägt Recht, oder genauer: Mehrheitswille ist Recht.
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Anfang des Jahres, nach J.D. Vances Mittelfinger an Europa, habe ich hier schon einmal an Carl Schmitt erinnert, den Juristen und politischen Philosophen, der 1934 über Hitler schrieb:
»In Wahrheit war die Tat des Führers echte Gerichtsbarkeit. Sie untersteht nicht der Justiz, sondern war selbst höchste Justiz. Es war nicht die Aktion eines republikanischen Diktators, der in einem rechtsleeren Raum, während das Gesetz für einen Augenblick die Augen schließt, vollzogene Tatsachen schafft (...).
Das Richtertum des Führers entspringt derselben Rechtsquelle, der alles Recht jedes Volkes entspringt. In der höchsten Not bewährt sich das höchste Recht und erscheint der höchste Grad richterlich rächender Verwirklichung dieses Rechts. Alles Recht stammt aus dem Lebensrecht des Volkes.«
Der Artikel trug die Überschrift: »Der Führer schützt das Recht.«
Trump (»He who saves his country does not violate any law«) und seine Gefolgschaft haben sich ein solches Schmittianisches Rechtsverständnis schon lange zu eigen gemacht. Nun ist es im Europa des 21. Jahrhunderts angekommen.
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Wobei, man muss auch da genauer sein: Solche Ideen kursieren schon länger. Die Tories, die konservativen in Großbritannien, haben schon vor vielen Jahren gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und den EGMR gewettert. Vor mehr als einem Jahrzehnt gab es eine Diskussion, ob UK aus der Konvention austreten solle. Aber es war lange eher ein wunderlicher Spleen der Tories als ein Programm europäischer Zentristen.
Die Klage, dass die Verrechtlichung von Politik zu weit gegangen sei, ist ebenfalls alt und seit einer Weile wieder en vouge. Ein eher aktuelles Beispiel ist der zur selbstbewussten These neigende Politikwissenschaftler Philipp Manow, der in der erstarkenden extremen Rechten eine (so wie ich das lese: fast zwingende, auch legitime) Reaktion auf die „Entdemokratisierung der Demokratie” sieht.
Diese Entdemokratisierung meint er unter anderem in der Verrechtlichung, Konstitutionalisierung und Supranationalisierung zu erkennen, in Richtersprüchen, Chartas und Verfassungen sowie der EU. Man könnte auch sagen: überall dort, wo Politik der simplen, unmittelbaren Entscheidung der Mehrheit oder wenigstens ihrer Vertreter entzogen wird.
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Meiner Erfahrung ist es so: Wo solches Denken sich verbreitet, ist die Sehnsucht nach dem großen Knall selten weit – und umgekehrt.
Ein ausgesprochener Voluntarismus durchzieht in Deutschland seit einer Weile das politische Denken vor allem der Union, aber auch der FDP, der AfD natürlich ohnehin. Die Welt soll sich nach Willen und Vorstellung formen und alles, was dem im Weg steht, ist ein Problem.
Die Kettensäge ist das Totem dieser politischen Glaubensrichtung und die hat bekanntlich auch Robert Habeck schon mal bemüht.
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Die Union, die jetzt wieder regiert, spürt in Bezug auf Migration offensichtlich einen ähnlichen Impuls wie Frederiksen und Meloni.
Da war die Idee im Wahlkampf, Menschen die Staatsbürgerschaft zu entziehen - nicht wirklich durchdacht, extrem heikel, Ausdruck des Gefühls: Das muss doch wohl möglich sein!?
Da war die ganze Debatte um Zurückweisungen an den Grenzen, die ins Spiel gebrachte “Notlage”. Alles rechtlich sehr umstritten, selbst mancher Christdemokrat ist sicher, dass nicht geht, was die Regierung macht. Und, wie man am Hin und Her (hat Merz eine Notlage ausgerufen oder nicht? Muss er oder nicht?) selbst in der Regierung sah: alles nicht durchdacht. Aber Ausdruck des Gefühls: Das muss doch gehen!
Da war die Idee, Geflüchtete nach Ruanda zu bringen, sie dort nicht nur ein Verfahren durchlaufen zu lassen, sondern sie dort im Fall eines Schutzanspruchs auch bleiben zu lassen. Obwohl Ruanda ein tief autoritärer Staat ist.
Die Rechtsanwältin Roda Verheyen, die vor allem für ihre Klimaklagen bekannt ist, hat im Wahlkampf Forderungen der Union auf 45 Seiten analysiert. Sie sah an verschiedenen Stellen drohende Verstöße gegen geltendes Recht.
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Da war, außerdem, die Andeutung, Israels Premierminister Benjamin Netanyahu womöglich in Deutschland zu empfangen und nicht festzunehmen - obwohl es gegen ihn einen Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gibt.
Deutschland ist Vertragsstaat. Also verpflichtet, sich an die Regeln zu halten.
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An Recht muss sich Politik sowieso immer halten, solange es gilt. Das ist der wichtigste Grundsatz von Rechtsstaatlichkeit. Gibt man ihn auf, gibt man alles auf.
Aber Recht kann man ändern, natürlich - bis zu einem gewissen Grad jedenfalls. Es ist politisch gesetzt und politisch verfügbar.
Nur bekommt das alles gerade sehr häufig eine deutliche Schlagseite. Im Fall von Meloni, Frederiksen und den anderen auf extreme Art.
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Die Idee, dass es da etwas Unhintergehbares gibt, Rechte, die aus dem Menschsein erwachsen, grundlegend für die Weltordnung nach dem Zweiten Weltkrieg. Man muss nicht an den Mensch als unabhängiges Individuum glauben, um im Schutz des Individuums als Zentrum einer Rechtsordnung einen gigantischen Gewinn zu sehen.
Respekt der einen Staatsgewalt vor der Rolle und Funktion der anderen Staatsgewalten als Element demokratischer Herrschaft, nicht als ihr entgegengesetzt, ist unerlässlich für liberae Demokratien.
Vor allem ist die Gleichheit aller vor dem Gesetz die grundlegendste Idee, ohne die alles einstürzt. Demokratie macht nur Sinn, wenn man davon ausgeht, dass niemand mehr Anspruch auf Herrschaft hat als jeder andere Mensch.
Demokratie setzt fundamentale Gleichheit voraus. Und wenn man die gleiche Geltung von Menschenrechten für alle und jeden in Frage stellt, schlägt man auf diese Fundamente ein.
Das heißt nicht, dass dadurch das ganze Gedankengebäude einstürzt. Schon gar nicht sofort. Aber man riskiert Risse. Brüche. Und irgendwann die Stabilität der freien Gesellschaft.
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Ich sage ja: Es ist ein wirklich revolutionäres Pamphlet.
Am Ende des Texts schreiben die neun RegierungschefInnen: „Wir wissen, dass das eine sensible Diskussion ist. Obwohl unser Ziel ist, unsere Demokratien zu schützen, wird man uns wahrscheinlich das Gegenteil vorwerfen.“
Und an dieser Stelle bin ich dann noch ein bisschen persönlicher ins Grübeln gekommen. Oder anders: habe mich herausgefordert gefühlt.
Wer hier schon länger mitliest oder meine Arbeit anderweitig verfolgt, ist vielleicht vertraut mit der wahrscheinlich wichtigsten These meines Buchs „Demokratie im Feuer”.
Ich versuche darin, zu zeigen, dass eine eskalierende Erderhitzung die Bedingungen der Möglichkeit von freien, liberalen, demokratischen Gesellschaften zerstören wird. Dass Klimaschutz also als notwendige Bedingung für den Schutz liberaler Demokratien zu verstehen ist.
Dass deshalb der allenthalben sichtbare Widerspruch (Demokratien müssen mehr tun, um sich selbst zu schützen; aber sie entscheiden sich dagegen) so aufzulösen ist: Wir müssen unsere Theorie von Demokratien ändern. Wir müssen Demokratien als wehrhafte Klimademokratien begreifen.
Klimaschutz ist nicht optional, er ist nicht verhandelbar, obwohl in Demokratien eigentlich alles verhandelbar ist - nur ihre eigenen Grundlagen nicht. Demokratien müssen nicht ihre eigene Zerstörung hinnehmen. Nicht durch autoritäre Parteien und nicht durch die Klimakrise.
Die Lösung, die keine Lösung ist, aber der aus meiner Sicht bestmögliche Versuch einer Lösung, lautet: Klimaschutz muss möglichst tief verankert werden im Institutionengefüge selbst. In den Regierungen und Verwaltungen, in der Verfassung, in den Zentralbanken, in der Organisation von Ausbildung und Zivilgesellschaft.
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Das war die Langform der Kurzfassung des Buchs. Noch kürzer könnte man es so formulieren:
Die Welt ist heute eine andere, als sie je war, seit Demokratien existieren. Wir müssen unser Denken dieser Zeit anpassen.
Und das klingt, wenn man es so weit reduziert und von der materiellen Wirklichkeit abstrahiert, dann zugegebenermaßen ganz ähnlich wie das, was Frederiksen, Meloni und die anderen vortragen. Weshalb jemand wie ich an dieser Stelle einmal in sich gehen sollte und sich fragen: Was unterscheidet die und mich?
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Es wird nicht überraschen, dass ich denke: sehr, sehr vieles.
Die neun RegierungschefInnen begründen nicht, warum die Situation wahrhaft außergewöhnlich, historisch, ganz und gar neu sein soll.
Sie begründen nicht ernsthaft, warum in der Nicht-Abschiebung von einigen verurteilten Ausländer*innen eine Gefahr für die demokratische Ordnung liegen sollte – und warum ausgerechnet die leichtere Abschiebbarkeit von diesen Leuten daran etwas ändern soll.
Sie gehen nicht darauf ein, inwiefern die faktische rechtliche Herabstufung von einigen Menschen theoretisch in Einklang zu bringen ist mit unseren Vorstellungen von Demokratie.
Sie gehen auch nicht darauf ein, inwiefern die Infragestellung des EGMR theoretisch in Einklang zu bringen ist mit unseren Vorstellungen von Demokratie.
Sie werfen das fundamentale Demokratieproblem überhaupt nicht auf. Sie gehen einfach darüber hinweg, als wäre das, was sie fordern, gar nicht bedeutsam.
Sie befassen sich nicht mit möglichen Alternativen.
Sie geben sich, kurz, keinerlei Mühe, zu begründen, warum nötig ist, was sie fordern, warum es alternativlos sein soll und warum es akzeptabel und harmlos ist.
Sie denken nicht über mögliche Schranken nach, nicht darüber, wie sich sicherstellen lässt, dass sie Demokratie damit schützen und nicht gefährden. Sie diskutieren nicht, wo die Grenzen verlaufen müssen, so oder so.
Nichts davon tun sie. Sie gehen beiläufig vor, unpräzise, hemdsärmelig, schludrig, also verantwortungslos.
Ginge es darum, über liberale Demokratie neu nachzudenken, sie anzupassen an große Herausforderungen, wäre all das aber unerlässlich. Sie denken nicht nach, sie reformieren nicht unser Verständnis von Demokratie. Sie stellen es in Frage.
Sie sorgen sich nicht um Demokratie im Feuer. Sie nehmen sie unter Feuer.
Eine der großen Gefahren, wenn man Demokratie verteidigt, ist, sie dabei zu verklären. Ihre Fehler und Ungerechtigkeiten und Ausschlüsse zu ignorieren oder beiseite zu wischen. Im Bemühen, Prinzipien zu schützen, auch das zu verteidigen, was nicht zu verteidigen ist.
Gegen solche Blindheit hilft sehr das Buch „Unerwünscht”. Geschrieben hat es Stefanie Schüler-Springorum, Direktorin des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin. Sie breitet aus, wie verschiedene Opfergruppen im Nationalsozialismus verfolgt wurden - und wie sie nach dem Krieg in der neuen Bundesrepublik behandelt wurden.
Sie erzählt von einer „Heil- und Pflegestelle” in der das Personal noch Ende Mai 1945, Wochen nach der bedingungslosen Kapitulation des Regimes, die Patienten ermordete. Von der Erfahrung der überlebenden Sinti und Roma, die sich nach der Befreiung feststellen mussten, dass fast niemand aus ihren Familien mehr da war. Von den Kämpfen der Verfolgten um Anerkennung, die niemand sonst für sie kämpfte.
Die Kurzfassung gibt es im Podcast „In aller Ruhe” mit Carolin Emcke (+).
Ich habe ein paar Tage frei. Gut möglich, dass wir uns erst Ende Juni wieder lesen. Bis dahin schauen Sie doch ab und an in den Himmel.
In den ersten Tagen nach der Mauerseglerwende, wenn die Vögel eingetroffen sind, sieht man sie häufig noch in größeren Gruppen. Man weiß dann nie genau, ob sie schon angekommen sind und dabei, sich einzurichten. Oder ob sie auf der Durchreise sind.
Bald danach beginnen sie mit der Balz. Sie suchen und finden sich dann und jagen zumeist zu zweit über den Himmel. Gerade kann man das sehr gut beobachten.
„Wahrheit gibt es nur zu zweien”, hat Hannah Arendt mal formuliert. Vielleicht sehen das die Mauersegler ja auch so.
Herzlich
Jonas Schaible
Die Probleme sind global (Klima, Sicherheit, Migration), aber nur kommunal, regional, national, supranational, international lösbar.
International und supranational können den Rahmen setzen und Ziele vorgeben.
National, regional und lokal müssen die Entscheidungen konkreter sein, ermöglichen aber mehr Diskussionen und Beteiligung der Bürger:innen (Klima, Migration)
Sicherheit muss international supranational und national geregelt werden.
Ohne genügend Spielraum für nationale, regionale und kommunale Entscheidungen besteht ein Demokratieproblem, wenn keine Diskussionen, keine Entscheidungen der Mehrheit unter Beachtung der Menschenrechte und der Verfassung möglich sind.
Hm, als Jurist finde ich es nicht so wirklich revolutionär, die Regeln, wie sie sind, in Frage zu stellen. Das ist ja Kern der Demokratie: Die politisch Legitimierten schaffen die Regeln, unabhängige Richter*innen setzen sie um. Das Problem ist aber, dass das Recht, umso internationaler es ist, immer schwerer zu ändern ist. So kann es tatsächlich sein, dass man längere Zeit unter eigentlich nicht mehr passenden Regeln lebt. Da Gerichte das Recht anwenden, ist Kritik an Gerichtsentscheidungen grundsätzlich auch kein Problem, solange man die richtigen Konsequenzen daraus zieht: Das Recht zu ändern. Hier wird mE nicht viel mehr gefordert, anders als etwa bei Trump wird nicht zum aktiven Widerstand gegen Gerichtsentscheidungen aufgerufen. Daher finde ich, auch wenn man politisch in der Sache nicht zustimmt, den Vorschlag nicht wirklich revolutionär anti-rechtsstaatlich. Der Versuch, gemeinsam eine Diskussion über internationale Regeln und mögliche Reformen anzustoßen, erscheint mir vielmehr als politisch und auch demomratisch konsequent, wenn man eher migrationsfeindliche Politik machen möchte.